Ein Besuch in der Doppelkapelle zu Landsberg

Das war vielleicht eine Überraschung!

Ich hatte mich seelisch und moralisch auf einen faulen und geschwätzigen Samstag bei meiner Mutter eingerichtet. Doch sie hatte andere Pläne.

Nachdem wir uns schon seit Jahren versichern, dass wir irgendwann einmal gemeinsam die Doppelkapelle St. Crucis zu Landsberg besichtigen wollen, schuf meine Mutter nun Tatsachen.

Also spornten wir uns gleich nach dem Mittagessen und begannen unseren Aufstieg etwa auf halber Höhe der Porphyrkuppe, die nur noch einen kläglichen Rest des einstmals imposanten Bergrückens darstellt und die Doppelkapelle trägt.

Der Weg zur Kapelle ist gesäumt mit Sträuchern und Bäumen und gibt zur Rechten den Blick weit übers Land frei. Wer die Augen nach unten senkt, bekommt den erfrischenden Anblick des Landsberger Felsenbades zu sehen.

Nach wenigen Minuten öffnet sich linksseitig der Blick zur Ostseite der Doppelkapelle. Die die Fassade dominierenden Apsiden sind das einzige Merkmal, das äußerlich auf die sakrale Nutzung des Bauwerkes hinweist. Kein Kirchturm blickt weit ins Land.

Ostseite der Doppelkapelle

 

Bis zum Beginn der Führung um 15:00 Uhr blieb uns noch etwas Zeit und so nahmen wir die Umgebung in Augenschein. Was für ein herrlicher Ausblick!

Doch auch die Fassade der Doppelkapelle weckte unser Interesse. Das Nordportal ist mit einem Türbogenfeld verziert, dessen Relief das Motiv „Christus erlöst die Väter aus der Vorhölle“ zeigt. Dies jedenfalls wurde uns auf Nachfrage von unserem Führer Herrn George erklärt. Die Darstellung ist schon ziemlich verwittert und gehörte wohl zum Ursprungsbau, der Stiftskirche Konrads von Wettin.

Das Türbogenfeld über dem Nordportal

 

Zu Beginn der Führung wurde uns einiges über die Baugeschichte der Doppelkapelle und der sie umgebenden Burg erzählt.

Ursprünglich stand nämlich an dieser Stelle eine dreischiffige Basilika, die in der Zeit von 1136 bis 1150 erbaut und von Konrad I. von Wettin gestiftet wurde. Zehn Jahre später begann man unter Markgraf Dietrich II. mit dem Bau einer Burganlage im Stile der staufischen Reichsburgen, in welcher die Basilika eingeschlossen war. 1185 wurde der Bau vollendet. Wiederum 10 Jahre danach gab Markgraf Konrad von Landsberg den Umbau der Basilika in eine Doppelkapelle in Auftrag.

Die Ausführung als Doppelkapelle legt enge Bindungen der lokalen Herrscher zum Kaiserhaus der Staufer nahe, da solche Sakralbauten nur in deren Umfeld gebaut wurden.

Von der Burg ist heute – bis auf einige Mauerreste – leider nichts mehr zu sehen. Sie und die Stadt Landsberg wurden im Jahre 1514 in Vollzug der Reichsacht gegen Schenk Otto, den Herren der Herrschaft Landsberg, von den sächsischen Herzögen geschleift.

Einzig die Doppelkapelle als Eigengut der Wettiner blieb von der Zerstörung verschont.

Durch das Nordportal betreten wir die Kapelle und sind erstaunt über die Schlichtheit und die starken Pfeiler, die das Obergeschoss tragen. Ein großer Raumschacht zieht unweigerlich unseren Blick nach oben.

Jetzt wird die Namensgebung „Doppelkapelle“ deutlich, denn das Gemäuer besteht aus einer Unter- und einer Oberkapelle. Unser Führer erläutert uns den Sinn dieser Einrichtung. Obwohl sich die Wissenschaftler immer noch streiten, erscheint die Bauweise zum Zwecke der Ständetrennung plausibel.

Die Doppelkapelle diente den Bewohnern der Burg als Gotteshaus. Die Oberkapelle mit ihrem Altar war der fürstlichen Familie vorbehalten. Sie betrat die Kapelle durch ein Portal an der Nordseite, welches heute zugesetzt ist. Es liegt auf halber Höhe des Bauwerkes und wurde früher durch eine Holzgalerie mit dem Kemenatenbau verbunden.

Die Nordseite mit dem zugesetzten Portal auf halber Höhe

 

Das Nordportal, durch welches wir die Unterkapelle betreten haben, diente der Ritterschaft als Zugang und durch das Südportal durfte das Gesinde das Gotteshaus betreten.

Der Raumschacht ermöglichte den Gläubigen in der Unterkapelle, an der Messe teilzunehmen.

Sieht man sich in der Unterkapelle um, bemerkt man die reich verzierten Kapitelle der Pfeiler und Säulen, die man aufgrund der geringen Raumhöhe eingehend studieren kann. Hier werden, eingebettet in Palmetten, unter anderem das Stifterpaar und die Ständevertreter damaliger Zeit dargestellt: der Handwerker und der Bauer, die Nonne und der Mönch, die Dame und der Ritter.

Über einen Treppenaufgang an der Südseite des Bauwerkes gelangen wir in die Oberkapelle.

Auch hier beeindruckt die schlichte Ausstattung ohne Wandmalereien. An der Ostseite steht der Altartisch, in dessen Sandsteinplatte noch das Reliquienfach zu sehen ist, das einst einen Splitter des Kreuzes Jesu barg.

Hier also wurde die Messe zelebriert.

Der Raum besticht durch die bauliche Harmonie. Die Oberkapelle ist wesentlich höher als die Unterkapelle und vermittelt ein Gefühl von Erhabenheit.

Bemerkenswert ist hier, neben dem erst 1732 aufgestellten Flügelaltar an der Südseite, die sogenannte Blutsäule, die in der Karfreitagsnacht Blut und Wasser schwitzen soll.

Hinter der Marmorsäule, an der Südseite der Oberkapelle, befindet sich ein weiterer Treppenaufgang zu einem dritten Geschoss. Dieses diente als allerletzte Zuflucht bei einem Angriff auf die Burg. Jetzt erklärt sich auch der Sinn der Treppen, die für den liturgischen Gebrauch des Bauwerkes ja nicht benötigt wurden.

Wir finden uns in einem großen Raum wieder, dem sich im Osten zwei kleinere Gemächer anschließen. Der nordöstliche Raum hat wohl der markgräflichen Familie als Wohnraum gedient, während der südöstliche Raum als Schlafkammer der herrschaftlichen Damen genutzt wurde. In dem großen Vorraum hielt sich das Burgvolk auf, um die Herren zu schützen. An der Westseite muss sich früher ein Aborterker befunden haben. Noch heute führt eine kleine Tür an der Südseite auf einen Altan, der ursprünglich als Pechpfanne diente. Ihr Abfluss befand sich als Pechnase genau über dem Südportal.

Seit 1514 hat das dritte Geschoss wohl als Wohnraum gedient. Auch Martin Luther soll hier zweimal übernachtet haben.

Mich hat insbesondere die historische Bedeutung und die Art der Nutzung dieser Doppelkapelle begeistert. Umso mehr, als von diesen Bauwerken nur insgesamt 30 bekannt sind.

Heutzutage wird die Doppelkapelle, die Teil der Straße der Romanik ist, für Taufen, Konfirmationen und Trauungen genutzt. Außerdem fungiert sie als Austragungsort für Konzerte.

Führungen finden in der Zeit von Mai bis Oktober samstags um 15:00 Uhr und sonntags um 11:00 und 15:00 Uhr statt.

Der Beginn der Führung verschiebt sich, wenn am Sonntag um 15:00 Uhr ein Konzert stattfindet.

Außerhalb dieser Zeiten können Führungen vereinbart werden.

Besucht die Doppelkapelle doch einfach selbst! Es lohnt sich unbedingt.
Für eine Führung solltet ihr etwa 1 ½ Stunden einplanen.